Jahresbericht 2011 - Bordbetreuung
Ein Jahr sind wir nun an unserem neuen Standort Seelandstr. 15, am Lehmannkai 2. Wir haben uns gut eingelebt und stellen immer deutlicher fest, dass wir hier für die Seeleute genau richtig sind. Vom Liegeplatz der Schiffe bis zur Seemannsmission sind es relativ kurze Wege – max. 7 km – die teilweise auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Oft kommt aber unser Bus zum Einsatz, der sie in den Club holt und auch zum Schiff zurückbringt.
Die Situation der Seeleute hat sich zum Teil noch verschlechtert – besonders im Bereich der Containerfahrt. Die Konjunktur erholt sich nur langsam. Viel Mühe bereitet den Seeleuten eine Anschlussheuer ohne lange Wartezeit zu bekommen, da viele Schiffe wieder auflagen und keine Beschäftigung hatten. Nach einem abgelaufenen Kontrakt wissen sie oft nicht, wie sie ihre Familien weiterhin versorgen sollen, da die Heuer mit Antritt des Urlaubs nicht mehr gezahlt wird.
Mit dem Verlassen des Schiffs und der Ankunft in der Heimat endet der Vertrag. Sie sehen, dass die Bedingungen für ausländische Seeleute nicht unserem Arbeitsrecht entsprechen. Es gibt zwar einen Tarif der ITF, der internationalen Gewerkschaft für Seeleute, der aber nicht unseren Rahmenbedingungen für eine Festanstellung entspricht.
Ein Beispiel: Wie sieht es aus, wenn jemand an Bord erkrankt und in der Heimat weiter versorgt werden muss? Ein philippinischer Seemann (39) fuhr 5 Tage mit Schmerzen in der Brust. Durch die schwere, körperliche Arbeit im Maschinenraum dachte er an einen Muskelkater. Da die Schmerzen nicht nachließen, vermutete ein Reedereimitarbeiter doch etwas Schlimmeres und rief zum Festmachen des Schiffes einen Rettungswagen. Der Filipino wurde in die UNI-Klinik gebracht, wo die Diagnose „Herzinfarkt“ lautete. Ihm wurden 4 Bypässe gelegt und er erhielt die Mitteilung, dass er nicht mehr zur See fahren könne. Wir besuchten ihn fast täglich und erhielten dabei Unterstützung der philippinischen Gemeinde in Lübeck. Auch während der REHA in Bad Segeberg begleiten wir ihn.
Wir sprachen über seine Ängste und haben dafür gesorgt, dass er mit seiner Frau Kontakt aufnehmen konnte. Per Skype sah die Familie – Ehefrau und 4 Kinder – seine gesundheitliche Besserung. Einige Sorgen blieben jedoch: Was geschieht mit ihm in der Heimat? Können die Ärzte ihn dort genauso gut versorgen? Bekommt er die Medikamente, die ihm hier geholfen haben? Vor allem aber die Frage: Wer bezahlt die Folgebehandlung? Eine Krankenversicherung, wie wir sie kennen, gibt dort nicht. Sie ist sehr teuer und für die meisten unbezahlbar. Die Behandlung hier wurde durch die übliche Versicherung, dem P&I-Club, für ausländische Seeleute finanziert.
Das Vertrauen der Seeleute in die Mitarbeiter der Seemannsmission ist sehr groß. Besonders wichtig bleibt das persönliche Gespräch an Bord bei den Schiffsbesuchen – Zeit zu haben für jeden Einzelnen. Mal eben einkaufen oder etwas Zeit haben für sich selbst ist in diesem Beruf nur schwer zu realisieren. Oft fahren unsere ehrenamtlich Mitarbeitenden einmal schnell mit ihnen zum Supermarkt, um kleinere Dinge einzukaufen oder in einen Mediamarkt.
Einige Zahlen, über das, was im letzten Jahr noch geschah finden Sie am Ende dieses Rückblickes.
Autor: J.Classens